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AutorenbildKatharina Leitgeb

Schau deiner Angst in die Augen

Immer wieder merke ich sowohl bei mir selbst als auch bei den Frauen, die ich begleiten darf, dass wir offenbar vor nichts so viel Angst haben wie vor Veränderung. Lieber in einem ungeliebten Job, in einer längst ausgelaugten Beziehung bleiben als das Neue, das Unbekannte, das nicht Abgesicherte zu wagen.


„Lass die Sicherheit fahren und sei zu Hause unter den Gefahren.“ Kürzlich habe ich diesen Spruch von Rumi auf meiner Seite gepostet. Eine Leserin hat mir daraufhin in einem Kommentar dazu die Frage gestellt, wie sie denn den Mut dazu finden könne.

Das ist eine wichtige Frage, deren Beantwortung mich jetzt lange beschäftigt hat.

Osho sagt: „Mut ist nicht Furchtlosigkeit. Mut heißt, voller Angst zu sein, aber sich nicht von ihr beherrschen zu lassen“.


Wir Menschen können ja gar nicht anders, als Angst zu haben. Wie klein, wie schwach, wie verletzlich sind wir in unserer kurzen Existenz hier auf diesem Planeten – Staubkörner, ausgeliefert der unermesslichen Macht der Elemente und des Schicksals.


Mit der ach so beruhigenden Aussicht auf Sicherheit werden wir daher geködert, manipuliert, eingelullt. Der Illusion von Sicherheit nachlaufend, fügen wir uns in ein überreglementiertes System von Verboten und Verordnungen, geben bereitwillig unserer privatesten Daten heraus, schenken Politikern unsere Stimmen, die uns erst angstmachende Bilder in die Köpfe pflanzen um uns dann mit dem Versprechen von Schutz und Sicherheit zu ködern.


Das alles ist ein riesengroßer Illusionszauber, dem wir da auf den Leim gehen.


Sicherheit gibt es nicht. Wer hält denn die radioaktive Wolke auf, wenn ein grenznahes AKW kollabiert? Wer hindert denn deinen Körper daran, unkontrolliert Zellen zu vermehren oder eine Ader im Kopf zu verstopfen? Weißt du denn, ob deine Lieben heute Abend wohlbehalten nach Hause kommen?

Diese Unsicherheit ist unerträglich, grauenhaft, schmerzvoll.


Was ist Mut? Ist es tatsächlich so mutig, sich den Konventionen zu widersetzen? Ist es so mutig, eine andere Meinung zu haben? Ist es mutig, gegen den Strom zu schwimmen, nicht alles mit sich machen zu lassen, auf die Harmonie zu pfeifen und sich zu konfrontieren?

Was passiert denn Schreckliches, wenn du zu dir stehst? Wirst du ausgelacht, ausgestoßen, auseinandergenommen? Verlierst du die Sicherheit, die Liebe, die Zugehörigkeit? Ist das wahr?


Der wahre Mut besteht darin, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Sich seinen Gefühlen zu stellen. Die ganzen Schmerzen und Verletzungen zu sehen und zu sagen- Ja, das bin ich. So fühle ich. Ich darf so fühlen. Es tut weh, aber ich unterdrücke es nicht länger.

Ich MUTe mich mir selbst und den anderen zu.

Ich steige aus, aus dem Spiel von Angst und Belohnung.

Ich bin so mutig, mich selbst zu spüren, mit allen feinen Nuancen.

Ich halte mich nicht zurück, ich trample nicht all meine Regungen nieder, bevor sie noch eine Chance bekommen, etwas auslösen zu können.


Jeden Morgen aufstehen und sagen- Hallo Leben, welches Abenteuer erleben wir heute? Welche unerhörten Gedanken darf ich heute denken? Wem kann ich eine spontane Umarmung schenken? Was pflanze ich heute in meinen Seelengarten, was bunt ist und wuchert und blüht und einfach rein meiner persönlichen Erbauung dient?

Das ist Mut.


Ich kann diese abgedroschenen esoterischen Sprüche ja schon nicht mehr lesen - Sei du selbst! Lebe dein Leben! Glaub an dich! – aber zugegeben: that’s it. Vielleicht ist es ja wirklich genau das. So „einfach“ und unserer allergrößte, allerschwierigste, allerwichtigste und allermutigste Lebensaufgabe.

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